Dr. Günter Baumann
Stahl in Anmut

Innerhalb kurzer Zeit entwickelte HATE Hirlinger eine eigene bildnerische Grammatik, die ihre Nähe zum Werk Erich Hausers gar nicht verleugnet. Doch darf man sich nicht blenden lassen – Hauser folgt in seiner Formensprache weniger bzw. nur im Ansatz einer konstruktivistischen Idee als, unter anderen Vorzeichen, einem Dekonstruktivismus, dessen Spitzwinkligkeit sich durch die Wirklichkeit schneidet. Hier ähnelt Hausers Plastik der souverän regelwidrigen Verzerrungsperspektive einer Architektin wie Zaha Hadid. Hirlinger hat sich demgegenüber stets auf die konkret-konstruktivistische Linie berufen, der man noch die nicht minder formalistischen minimalistischen Züge hinzufügen kann, die dem Hauserschen Werk sogar ganz fremd sind.

 

Hirlinger sucht die innere Ruhe. Anders als sein Vorbild geht es ihm nicht darum, die Harmonie zu stören, im Gegenteil: Sie ist Bestandteil seiner ästhetischen Gesinnung. Bevorzugt arbeitet er mit Edel-, Cortenstahl und Aluminium, die der Bildhauer in geometrischen Mustern (Kreis, Dreieck) und

   

der Technik des Faltens sowie unter Berücksichtigung des Lichts zum Leben erweckt. Gern poliert Hirlinger den Stahl, was dem Material sein Volumen nimmt und eine Leichtigkeit vorgibt, die angesichts der massiven Platten zur Wirkung gehört. Werktitel vergibt er keine, reduziert die Darstellung vielmehr auf Materialkürzel, Seriennummer und Jahreszahl. So vermeidet er jegliche Näherungsmöglichkeit an natürliche bzw. reale Vorgaben. Ein spitzwinkliges Dreieck genügt sich selbst, um das Nachdenken über die Kunst zu beflügeln, gleich mehrfach: Auf einer quadratischen Grundplatte klappt etwa eine dreieckige Form – auf zwei Seiten freigeschnitten – an der dritten Seite nach außen, um allein mit diesem Kunst-Griff die Merkmale eines Reliefs zu erhalten. Als seinerseits räumlicher Körper tritt das erhabene, aber unregelmäßig gelängte Objekt als Vollplastik auf. Konsequent weitergedacht, kann man Faltplastiken unter den Arbeiten Hirlingers entdecken, die an japanische Falttechniken erinnern – kurzum: zunehmend komplexer werden die Arbeiten, wenn man sie in dieser Entwicklungsreihe sieht.

 

zurück weiter