Dr. Günter Baumann
Stahl in Anmut

Doch würde man hier dem Bildhauer vorgreifen, geht es ihm doch um den ästhetischen Wert und nicht um eine nüchterne Progression. Hirlinger segmentiert durch einfache Schnitte kreisrunde Formen genauso, wie er die Disposition grundlegend ändert: Keineswegs ist die Negativ- wie die Positivform gleich dimensioniert: Mag die ausgesparte Leerform einer Fläche entnommen sein, so kann es dennoch sein, dass die herausgestellte Fläche dreidimensional erscheint. Die “aufgerollten“ Arbeiten gehören hierher, bei denen sich die ausgeschnittenen Teile - scheinbar leicht wie Papier - nach außen drehen und einen plastischen Körper ergeben. Das Licht hilft dabei, denn durch die Spiegelungen holt sich der künstlerische Protagonist die (natürliche) Außenwelt herein. Es ist also nicht so, dass Kunst und Umgebung hier nicht in eins gehen. Dazu ist HATE Hirlinger mit der Gebrauchs-Kunst zu sehr vertraut - man denke zudem an das Signet in einer kreisrunden Edelstahlarbeit für die Holding Kirchheim (Hannover), die eine blitzartige Spur enthält, vom Acrylkern ganz zu schweigen.

   

Zurück zum Licht: auf polierter Oberfläche setzt es ganz andere Akzente als bei matten Arbeiten. Doch immer modelliert es aktiv mit, wenn wir die plastische Wirkung der Reliefs und Objekte erschließen. Die Spannung der Wahrnehmung wird zum Abenteuer des Sehens - und zum Kriterium für die Bewertung der plastischen Form an sich. Dagegen spielt in den minimalistischen Arbeiten Hirlingers - dazu sind die winkel-ornamentalen Cortenstahlreliefs zu zählen - die Farbe eine Rolle, die in den hochglanzpolierten Werken mit ihrem artifiziellen Reiz, ja der Faszination der entmaterialisierenden Spiegelung eher als kontrastreicher “Juniorpartner“ vorkommt: Die Oxydation gibt den Objekten eine noch poetischere Ausdruckskraft, die das Schaffen des spätberufenen Künstlers in jeder Hinsicht auszeichnet.


August 2013

 

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